Dienstag, 21. Juli 2015

Persönliche Stellungnahme, zu den erweiterten Hinweisen des Verwaltungsgerichts Berlin, warum eine Übertragung auf einen Einzelrichter erfolgen sollte vom 21.07.2015


Sehr geehrter Herr xxxxxxx,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 14. Juli 2015, das postalisch am 17. Juli des Jahres bei mir einging. Ich habe Ihre Ausführungen zur Kenntnis genommen und möchte hiermit dazu Stellung nehmen.

Ihr Schreiben hat das gleiche Datum (14. Juli 2015) wie mein Antwortschreiben auf Ihr Schreiben vom 30. Juni 2015. Ihr aktuelles Schreiben macht leider nicht deutlich, ob es eine Antwort auf mein Schreiben vom 14. Juli 2015 darstellt oder eine argumentative Verstärkung Ihres ersten Schreibens vom 30. Juni 2015 ist. Ich möchte deshalb zur Sicherheit aufgrund Ihrer neuen Hinweise nachfolgend meine Sichtweise erläutern.

1. Ihr Argument, die Kammer habe zu dieser Frage eine Musterentscheidung getroffen:

Ich weiß nicht, auf welche „Frage“ Sie sich beziehen. Dank Ihres vorhergehenden Schreibens vom 30. Juni liegt mir jetzt das Urteil des Verwaltungsgerichtes Berlin zum Verfahren VG 27 K 310.14 vor, das nach Ihrer Aussage gleichzeitig eine Musterentscheidung darstellt. Leider ist mir nicht das gesamte Aktenmaterial zu diesem Fall bekannt, ich kenne auch nicht die persönlichen Beweggründe der Klägerin und weiß nicht, ob diese gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht eingelegt hat oder ob für die Klägerin weitere Instanzen aus finanziellen Gründen keine Option darstellen. Ich kann also nur erahnen bzw. interpretieren, ob „Fragen“, die aus Ihrer Sicht geklärt sind, auf meinen Fall übertragbar sind. Ich möchte jedoch an dieser Stelle derzeit darauf verzichten, jedes einzelne Satzfragment Ihrer Musterentscheidung diesbezüglich zu prüfen, da eine mündliche Verhandlung noch aussteht. Der Einfachheit halber beziehe ich mich lediglich auf ausgewählte Abschnitte Ihrer Begründung, die hypothetische Anknüpfungspunkte zu meiner Problematik darstellen könnten:

Ihre Entscheidungsbegründung Punkt A. (Seite 5, 2. Absatz):

„Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags verstößt nicht gegen höherrangige verfassungsrechtliche und europarechtliche Vorgaben. Die durch den Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag neu gefassten Rechtsgrundlagen des Rundfunkbeitrags sowie das Zustimmungsgesetz der Landes Berlin zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 20. Mai 2011 (GVBI. S. 211) sind – jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung – mit verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben zu vereinbaren.“

Ich behaupte derzeit noch nicht, dass die allgemeine Festsetzung des Rundfunkbeitrags gegen höherrangige verfassungsrechtliche und europarechtliche Vorgaben verstößt, denn im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag werden in § 4 Abs. 6 Satz 1 die Befreiungen von der Beitragspflicht für natürliche Personen geregelt, bei denen ein besonderer Härtefall vorliegt. Wenn also eine natürliche Person einen individuellen Verstoß ihrer Grundrechte (höherrangige verfassungsrechtliche Vorgaben) feststellt bzw. geltend macht, könnte dies ebenfalls als besonderer Härtefall interpretiert werden (siehe dazu auch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. Dezember 2012 – 1 BvR 2550/12). Dementsprechend muss die betroffene Person einen gesonderten Antrag stellen, ggf. sogar den Klageweg in Kauf nehmen, um letztendlich durch die Landesrundfunkanstalt von der Beitragspflicht befreit zu werden. Die Härtefallregelung soll gewährleisten, dass auch in Ausnahmefällen, die wegen ihrer atypischen Ausgestaltung nicht im Einzelnen vorhersehbar sind und sich deshalb nicht mit den abstrakten Merkmalen der Gesetzessprache erfassen lassen, ein Ergebnis erzielt werden kann, das dem Normergebnis in seiner grundsätzlichen Zielrichtung gleichwertig ist. In meinem Fall könnte dies bedeuten, dass die Rundfunkanstalt RBB einen humanistischen Akt vollführt und meiner Gewissensnot Abhilfe verschafft, indem mein gesonderter Härtefall-Antrag, von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu sein, bewilligt wird und mir somit wieder das Grundrecht auf die Freiheit des Gewissens barrierefrei gewährt wird. Zugleich würde durch diesen Akt die Stabilität der Rundfunkfinanzierung weder negativ beeinflusst werden bzw. in Gefahr geraten. Ich gehe davon aus, dass die Anzahl solch spezifischer besonderer Härtefall-Anträge keine messbare Relevanz erzeugt. 


Entscheidungsbegründung Punkt 3 (Abschnitt b, Seiten 18/19):

Ich möchte hier nicht den gesamten Abschnitt wiederholen, der sich mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit befasst, sondern beschränke mich auf die darin enthaltenen zitierten Urteile.

BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 –, juris Rn. 37, 46:
Es geht grundsätzlich um das Thema Glaubensfreiheit und im Spezifischen um den Sachverhalt, ob eine Lehrkraft in der Schule und im Unterricht ein Kopftuch tragen darf oder nicht. Ich erkenne hier keine Relevanz zu meinem Fall.


BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 – 1 BvR 1087/91 –, juris Rn. 34:
Es geht grundsätzlich um das Thema Religionsfreiheit und im Spezifischen um den Sachverhalt, ob die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit darstellt. Ich erkenne hier keine Relevanz zu meinem Fall.

BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2003 – 2 BvR 1775/02 –, juris Rn. 3; BVerfG, Beschluss vom 26. August 1992 – 2 BvR 478/92 –, juris Rn. 3: Pflicht zur Steuerzahlung berührt nicht Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 GG: Dieser Fall ist mir im Detail bekannt. Es geht um ein sehr humanistisches Begehren, und zwar um den Erlass von Steuerabzugsbeträgen (Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag), da aus Gewissensgründen abgelehnt wurde, über die ab dem 24. März 1999 vom Lohn abgezogenen Steuern den von der NATO unter Beteiligung der Bundeswehr gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien geführten „Aggressionskrieg“ mitzufinanzieren. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil diese aus Sicht des Gerichtes keine Aussicht auf Erfolg hat. Auch diese Entscheidung hat nur bedingt mit meinem Fall zu tun. Ich zitiere aus dem Beschluss:

„… Durch die strikte Trennung von Steuererhebung und haushaltsrechtlicher Verwendungsentscheidung gewinnt der Staat rechtsstaatliche Distanz und Unabhängigkeit gegenüber dem ihn finanzierenden Steuerpflichtigen und ist deshalb allen Bürgern in gleicher Weise verantwortlich. Auf der Grundlage dieser Trennung zwischen steuerlicher Staatsfinanzierung und haushaltsrechtlicher Verwendungsentscheidung ist für den einzelnen Steuerpflichtigen weder rechtserheblich noch ersichtlich, in welchen Haushalt seine Einkommensteuerzahlungen – hier in Form von Lohnsteuer und einer Zuschlagsteuer (§ 51a EStG) – fließen und welchem konkreten Verwendungszweck sie innerhalb eines bestimmten Haushalts dienen. Die Pflicht zur Steuerzahlung lässt mithin den Schutzbereich des Grundrechts der Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) unberührt. Deshalb können auch die rechtlichen Grundlagen des von den Beschwerdeführern kritisierten Einsatzes von Streitkräften dahingestellt bleiben. ...“

Es wird mit dieser Begründung deutlich, dass dies nicht auf die aktuellen rundfunkrechtlichen Rahmenbedingungen zu übertragen ist. Der Rundfunkbeitrag ist aus Sicht des Gesetzgebers, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der derzeitigen Rechtsprechung der Gerichte nicht als Steuer, sondern als Beitrag klassifiziert. Der Beitrag wiederum ist das vorrangige Finanzierungswerkzeug zur funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne von § 12 Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrages sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 40 des Rundfunkstaatsvertrages. Es ist aus meiner Sicht keine rechtsstaatliche Distanz zwischen der Erhebung und Verwendungsentscheidung gegeben. Das bedeutet wiederum, dass ich meine Gewissensnot geltend machen kann, indem ich keinen persönlichen Anteil zur Finanzierung dieses orchestrierten Manipulationsvorganges leiste. Es erscheint mir völlig widersprüchlich bzw. unrecht, dass einerseits der öffentlich-rechtliche Rundfunk völlig konsequenzfrei gegen den Rundfunkstaatsvertrag verstoßen kann, indem er eine vollsynchronisierte Massenmanipulation umsetzt, und anderseits einer natürliche Person verwehrt wird, ihr bei Erkennung dieses Sachverhaltes einen besonderen Härtefall zu gewähren.

2. Ihr Argument, dass bislang keine Klage, die sich auf die Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrages beruft, Erfolg gehabt hat:

Als juristischer Laie verstehe ich nicht, warum Sie diesen Aspekt herausstellen, da nach meinem Kenntnisstand in letztendlicher Instanz nur durch höchstrichterliche Rechtsprechung über die verfassungskonforme Auslegung entschieden werden kann. Die in meinem Fall dargelegte individuelle Betroffenheit und die damit verbundenen Argumente wurden bisher von einer solchen Instanz nicht grundlegend verhandelt, entschieden, beschlossen bzw. es wurde nicht darüber geurteilt. Dies gilt es abzuwarten, bevor klar ist, ob etwas verfassungsrechtlich manifestiert wurde. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2012 – 1 BvR 2550/12 erklärt, dass gegenüber einem Beschwerdeführer die von ihm gerügten Grundrechtsverletzungen in zumutbarer Weise in einem verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren gegen die Beitragserhebung geltend gemacht werden müssen.

Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihren Wunsch, die Entscheidung auf einen Einzelrichter zu übertragen, noch einmal überdenken.

Mit freundlichen Grüßen
Olaf Kretschmann

Eingangsbestätigung der persönlichen Stellungnahme, zu den erweiterten Hinweisen des Verwaltungsgerichts Berlin, warum eine Übertragung auf einen Einzelrichter erfolgen sollte vom 21.07.2015.
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