Montag, 2. Januar 2017

Sechster offener Brief an die Intendantin des rbb, Frau Patricia Schlesinger – Widerspruch gegen Festsetzungsbescheid vom 02.12.2016


Sehr geehrte Frau Schlesinger,

vorab möchte ich mich Ihnen für den Fall, dass Ihnen Ihre Amtsvorgängerin, Frau Dagmar Reim, keine Informationen zu meinem Fall gegeben haben sollte, kurz vorstellen. Mein Name ist Olaf Kretschmann, ich schrieb vor vier Jahren (am 31.12.2012) einen offenen Brief an die damalige Intendantin des rbb, Frau Dagmar Reim, und schilderte ihr meinen inneren, tiefen Gewissenskonflikt, der entstünde, wenn ich stillschweigend dem Massengehorsam folgte, der bestehenden Rundfunkbeitragspflicht nachzukommen. Ich forderte sie höflich auf, mich von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Trotz meiner mehrfachen Versuche, eine Brücke zwischen unseren divergenten Bewusstseinswelten zu schlagen, war es Frau Dagmar Reim nicht möglich, einen direkten Kontakt zu mir aufzunehmen. Leider vermochte sie es – trotz fünf offener Briefe meinerseits, eines öffentlichen Verhandlungstermins vor dem Berliner Verwaltungsgericht und der schriftlichen Berufungszulassungsbegründung vor dem OVG Berlin-Brandenburg bzw. des Antrags auf Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG – bis zum Ende ihrer Amtszeit nicht, mir ihre Beweggründe für die Verweigerung des Dialogs mitzuteilen. Ich bin jedoch sehr zuversichtlich, dass wir uns gemeinsam austauschen und kennenlernen werden.

Bewusst habe ich mich dazu entschieden, diesem Widerspruch keine detaillierte Begründung beizufügen, da diese Ihrer Landesrundfunkanstalt bekannt ist. Sie können im Justitiariat des rbb erfragen, warum diese eine Stellungnahme zur Berufungszulassung vom 16.11.2015 und zur Ergänzung der Berufungszulassungsbegründung sowie zum Antrag auf Vorlage an das Bundesverfassungsgericht in der Verwaltungsstreitsache Olaf Kretschmann ./. Rundfunk Berlin-Brandenburg vom 20.09.2016 verfasst hat.

Es dürfte Ihnen bekannt sein, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg seit über 14 Monaten keine Entscheidung darüber treffen konnte, ob in meinem Fall eine Berufungszulassung gewährt wird oder nicht. Ich wäre Ihnen deshalb sehr dankbar, mir Ihre Beweggründe mitzuteilen, warum Sie jetzt, nach mehr als drei Jahren Pause, Ihre hoheitliche strukturelle Gewalt ausüben und einen Festsetzungsbescheid erlassen haben. Es ist bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht explizit im Kontext der neuen Rundfunkbeitragsregelung in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2012 – 1 BvR 2550/12 erklärt hat, dass gegenüber einem Beschwerdeführer die von ihm gerügten Grundrechtsverletzungen in zumutbarer Weise in einem verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren gegen die Beitragserhebung geltend gemacht werden müssen. Es heißt dort unter anderem:

„Es ist jedenfalls auch nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer mit einem solchen Härtefallantrag, bei dem er seine religiöse Einstellung und seine gesamten Lebensumstände darlegen könnte, eine Beitragsbefreiung erreichen kann.“

Lassen Sie uns gemeinsam abwarten, welches Urteil die anderen gerichtlichen Instanzen und abschließend das Bundesverfassungsgericht in meinem Fall zu verkünden haben. Sollte die Entscheidung zu Ihren Gunsten ausfallen, wird mir, so hoffe ich, eine ausführliche Begründung vorliegen, warum mein proklamierter Schutz des Grundrechts, entsprechend meinem inneren Gewissen zu handeln, seitens einer öffentlich-rechtlichen Anstalt durchbrochen und ausgehebelt werden darf. Erst wenn es hierzu eine Deutungs- und Interpretationsvorgabe durch das Bundesverfassungsgericht geben sollte, wäre es für Sie angebracht, nächste Schritte einzuleiten. Ebenso werde ich mir vorbehalten, nach dieser Vorgabe ggf. eine Klärung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) herbeizuführen.

Falls Sie den inneren, empathischen und für mich verständlichen Wunsch haben, meine Gewissensnot nachvollziehen zu wollen, kann ich Ihnen auf Nachfrage hin gerne weitere diesbezügliche Ausführungen zukommen lassen.

Des Weiteren stelle ich den Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung entsprechend VwGO § 80. Dies tue ich einerseits zum eigenen Schutz, um meine sonst entstehende Gewissensnot abzuwehren, andererseits, um der kommunalen Vollstreckungsstelle eine einfache Grundlage zur Akzeptanz meiner Abwehr in einem eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahren zu geben. Mir ist bekannt, dass Ihnen als Intendantin der Landesrundfunkanstalt laut VwGO § 80 Satz 2 die Abgabe zusteht, da die aufschiebende Wirkung bei der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten entfällt. Als vermeintlicher Gläubiger können Sie jedoch Wohlwollen walten lassen und auf die Vollstreckung, wie bisher geschehen, vorerst verzichten. 

Abschließend möchte ich nochmals an Ihre Menschlichkeit appellieren, meinem Befreiungsantrag umgehend stattzugeben. Sie haben die rechtliche Autorität, dies möglich zu machen. Mir ist bewusst, dass es für Sie eine besondere Herausforderung darstellen könnte, deshalb lade ich auch Sie, wie Ihre Amtsvorgängerin, herzlich zu einem Dialog ein. Ich erbitte von Ihnen als Intendantin, wie auch immer Sie sich entscheiden werden, eine persönliche Stellungnahme zu meinem Brief. Haben Sie vorab vielen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit nehmen werden, sich mit meinem Fall zu beschäftigen.

Ich wünsche Ihnen ein glückliches, friedvolles neues Jahr.

Mit freundlichen Grüßen



Olaf Kretschmann